„Final Cut“ von Veit Etzold: Leichen pflastern seinen Weg
Wer mehr als 400 Facebook-Freunde hat und als Hauptkommissarin in der Abteilung für Pathopsychologie beim Morddezernat des LKA in Berlin arbeitet, kann nicht ernsthaft das Ziel eines perfiden Mörders werden. Oder doch? Clara Vidalis weiß nicht, wie ihr geschieht, als sie bemerkt, dass sie gar nicht den Täter jagt – sondern der Täter sie.
Bücher, in denen dem Opfer gleich zu Beginn die Kehle durchgeschnitten wird, haben in diesen Zeiten leider etwas zutiefst Reales. Oder gibt es jemanden, der da nicht sofort an die Gräueltaten denkt, die uns per Videobotschaft seit Jahren aus Syrien und dem Irak erreichen? Aber zum Glück darf in unseren Breitengraden ein Buchautor schreiben, was er möchte. Man muss es ja nicht bedingungslos gut finden.
„Final Cut“: In der Tradition nordischer Krimiautoren
Wobei gegen „Final Cut“ von Veit Etzold kaum etwas einzuwenden wäre. Es ist nicht der aktuelle politische Bezug, der einen beim Lesen etwas zurückschrecken lässt. Es ist auch nicht das so exakt erzählte Aufschlitzen von Hälsen, das der Autor beschreibt. Nicht der Ekel, der sich einstellt, wenn Etzold Leichen über Wochen und Monate in Wohnungen verwesen lässt und detailliert beschreibt, wie Maden die leblose Hülle erobern und für ihre Zwecke nutzen.
Es ist nicht die Gewalt, die der Schriftsteller offenbar benötigt, um seine Story am Laufen zu halten. Es ist noch nicht einmal der Versuch, sich in der Tradition schwedischer oder norwegischer Kriminalroman-Autoren zu sehen.
Nein, wenn es etwas gibt, das mich in Krimibüchern, Kinothrillern oder Fernsehkrimis in den vergangenen Jahren zunehmend stört und auch bei „Final Cut“ der Fall ist, dann ist es der Umstand, dass die Fälle, die eine Kommissarin oder ein Inspektor zu bearbeiten hat, mit ihr oder ihm persönlich zu tun haben.
Erstens sind diese Geschichten auserzählt, denn auf wie viele verschiedene Arten kann, um Himmels Willen, ein Ermittler selbst Ziel eines Mordes sein oder sonstwie in das (geplante) Verbrechen verstrickt? Und zweitens, aber das ist meine persönliche Auffassung, glaube ich in einem solchen Fall immer, dass dem Buchautor einfach nichts Originelleres eingefallen ist. Zur Ablenkung wird dann gern eine Nebenhandlung als Erzählstrang mit eingebaut. Oder flugs ein Überbau ersonnen.
Spannendes Thema verschenkt
Das sind in diesem Fall die sozialen Medien, namentlich Facebook, doch leider geht Etzold kaum auf die eigentlich spannende Thematik der Kriminalität im Internet ein, sondern lässt schlitzen und morden, als gebe als kein Morgen mehr. Dass man das Buch dennoch nicht gern aus der Hand legt, muss man Etzold natürlich zugutehalten, spannend geschrieben ist „Final Cut“ allemal – auch wenn die Hauptfigur Clara Vidalis nie so richtig durchleuchtet wird.
Vielmehr als eine tragische Geschichte von früher, in der es um den Missbrauch und Ermordung der Schwester geht, erfahren wir nicht. Alles in allem hat Etzold ein paar sehr gute Ansätze, bleibt in vielem aber zu vage und manchmal auch unlogisch, etwa wenn es um DNA-Profile geht oder um einen Profiler im Buch. Und der Aufhänger „Facebook-Thriller“ ist deutlich übertrieben und dient wohl nur dazu, Aufmerksamkeit zu sichern.
Schade eigentlich.
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