„Die Zelle“ von Jonas Winner: Der Sommer des Fleischwolfs
Die Geschichte des elfjährigen Sammy, der etwas Schreckliches entdeckt und etwas noch Schrecklicheres dahinter vermutet, ist vom ersten Satz an fesselnd. Und „Die Zelle“ ist von Jonas Winner vor allem richtig gut erzählt.
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Sammy ist elf, wohnt seit drei Wochen in Berlin und ist über das alles nicht eben begeistert. In einer Jugendstilvilla in Berlin-Grunewald ist die Familie gezogen, im Garten gibt es eine Hütte. Und in der Hütte eine Falltür, die Sammy – das weiß er auch 20 Jahre später noch – genau am 1. August entdeckt.
Unter der Villa befindet sich ein Luftschutzbunker, und dort ist ein Mädchen eingesperrt, kaum älter als Sammy selbst. Er kann sie durch eine schmale Ritze hindurch sehen. Ein Schock für den Elfjährigen. Der Sommer des Fleischwolfs hat begonnen, wie Sammy ihn nun nennt.
Fragmente verschmelzen zu düsteren Ahnungen
Am folgenden Tag ist die mit einer gummiartigen Folie ausgelegte Zelle verwaist, das Mädchen verschwunden. Und in Sammy keimt ein grauenvoller Verdacht: Der Vater, den er sehr mag, muss etwas mit dieser Sache zu tun haben. Von diesem Moment an überwindet der Junge sich selbst, um herauszufinden, was da eigentlich los ist.
Autor Jonas Winner schafft es von der ersten Zeile von „Die Zelle“, die Leser zu faszinieren. Das liegt zum einen an der prägnanten Sprache, mit der er klare Bilder erzeugt und einen direkt in die Geschichte hineinzieht. Zum anderen liegt es aber auch daran, dass Winner es auf sehr geschickte Weise schafft, trotz der kurzen und präzisen Sätze eine Atmosphäre zu erzeugen, die beim Lesen Grusel herstellt.
Einzelne Fragmente, die Sammy wahrnimmt – etwa Klänge, diverse Dufteindrücke, Gesehenes oder scheinbar Gesehenes –, lässt Winner ineinander verschmelzen. Das löst beim Lesen ein unbestimmtes Gefühl der Beunruhigung aus, das einen ziemlich nervös werden lässt. Ein Thrill, der Gänsehaut auslöst und düstere Ahnungen.
„Die Zelle“: Ein Thriller, grausam und spannend
„Wo ist er? Wo ist mein Vater?“ Das ist der Strang, an dem Sammy sich durch das schaurige Abenteuer hangelt in einer Stadt, die Jonas Winner auf vielfältige Weise treffend beschreibt. Das macht er ziemlich plastisch, kein Wunder, er ist gebürtiger Berliner. Das ist der Grund, die Stadt so düster und trostlos zu umreißen, wie das nur jemand kann, der Berlin wirklich kennt; der diese Eindrücke selbst gesammelt hat.
Winner versteht es meisterhaft, aus Sicht des elfjährigen Jungen eine grausame Entdeckung inmitten einer bedrückenden Umgebung zu beschreiben und alles, was aus diesem Zusammenspiel folgt. Ein Thriller, das in seinem Grauen immer spannend bleibt und beim Leser die Erwartungen, die es von Beginn an weckt, mehr als erfüllt.
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